Karies

Das lateinische Wort für „Morschheit“ ist „caries“. Im medizinischen Bereich steht dieses Wort für eine Erkrankung von Zahnschmelz und Dentin. Für 99 Prozent der Bundesbürger ist diese Erkrankung fast eine Normalität geworden, da sie mehr oder weniger stark von Karies betroffen sind. Nur 1 Prozent der Bevölkerung ist kariesfrei. Man kann also diese Erkrankung mit Fug und Recht als eine Volksseuche ansprechen.

Ursachen einer „oralen Pandemie“

Wer über Karies spricht, der denkt fast immer an Zucker als die Ursache dieser Erkrankung. Dies stimmt und stimmt auch nicht, da Zucker alleine nicht in der Lage ist, den Zahnschmelz aufzuweichen und Löcher in die Zähne zu „bohren“. Willoughby Miller hatte schon 1890 eine Theorie zur Ursache und Entstehung von Karies formuliert, die heute als allgemein anerkannt gilt. Laut dieser Theorie sind eine Reihe von pathogenen Faktoren notwendig, um eine Zahnfäule entstehen zu lassen. Dieser Erkrankungsprozess verläuft in mehreren Stufen. Karies ist im Grunde eine Infektionskrankheit. Es muss eine Infektion mit Streptokokken im Mund vorliegen, um diesen Prozess ins Rollen zu bringen. Die Infektion selbst erfolgt oft in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes durch orale Kontakte mit Nahrungsmitteln, alltäglichen Gegenständen, Kontakten mit anderen Menschen usw. Da aber bei einem Säugling noch keine Zähne vorhanden sind, fehlt hier die Grundlage für ein Gedeihen der Streptokokken. Dies ist gewährleistet, wenn die ersten Zähne, die Milchzähne, durchbrechen. Aber auch dann ist man nicht zur Karies verdammt. Erst wenn eine Reihe weiterer Faktoren dazu kommen, sind die Grundlagen für die Ausbildung der Erkrankung gegeben. Dies sind Plaquebildung, niedermolekulare Kohlenhydrate (Zucker im weitesten Sinne), genetische Faktoren, Mineralisierungsgrad und -qualität der Zähne, Mundhygiene, zeitliche Faktoren. Dazu gesellen sich noch Faktoren von sekundärer Bedeutung, die aber unter Umständen das Zünglein an der Waage abgeben: Zahnstellung, Qualität und Quantität des Speichels, Fehlbildungen der Zähne, Ernährungsfragen etc.

Unter „normalen“ Umständen verläuft die Kariesbildung in etwa so ab: Durch eine unzureichende Mundhygiene (Zähne putzen) kommt es zur Bildung von Plaques, die wiederum ideale Lebensbedingungen für Laktobazillen und Streptokokken, speziell Streptococcus mutans, bilden. Diese Mikroorganismen benutzen die Zuckermoleküle in der aufgenommenen Nahrung, um daraus organische Säuren, wie Milchsäure, zu produzieren. Diese Säuren wiederum sind in der Lage, den Zahnschmelz aufzuweichen, indem sie die im Zahn vorhandenen Mineralien herauslösen.

Vom gesunden Zahn zur Zahnruine

Karies ist kein plötzlicher Zustand, vergleichbar mit einem Herzinfarkt. Die Bakterien brauchen Zeit, um sich anzusiedeln, zu vermehren und dann den Mineralabbau im Zahn zu bewerkstelligen. So reichen die Stadien einer Karieserkrankung vom Initialkaries bis hin zum Caries penetrans. Bei der Initialkaries kommt es zur Entkalkung, was sich als weißliche Flecken auf dem betroffenen Zahn bemerkbar macht. Wenn sich Pigmente aus der Nahrung einlagern, dann kommt es zu einer Dunkelfärbung der entsprechenden Stellen. In diesem Stadium ist nur der Zahnschmelz betroffen. Das nächste Stadium ist gekennzeichnet durch ein Vordringen der Schädigungen zum Zahnbein (Dentin). Dies kann bereits die ersten Zahnschmerzen auslösen. Dentin ist deutlich weicher als Zahnschmelz, so dass die Infektion sich von nun an viel schneller ausbreiten kann. Es kann zu einem Abbrechen des Zahns beim Kauen kommen, da die Architektonik des Zahns durch die Mikroorganismen unterminiert wurde. Caries profunda ist dann mit einer Vernichtung von mehr als zwei Dritteln der Dentinschicht in Richtung Zahnmark verbunden. Beim Endstadium, Caries penetrans, haben die Schädigungen bereits die Pulpa (Zahnmark) erreicht. Die Folgen sind Entzündungen der Pulpa, Abszesse, Osteomyelitis (Entzündung des Knochenmarks) usw., verbunden mit Schmerzen und anderen Unannehmlichkeiten.

Vorbeugung

Zucker zu vermeiden, ist nur eine Möglichkeit. Denn trotz Einnahme von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln lässt sich die Entwicklung einer Karies vermeiden. Und außerdem kann man heute nur selten zuckerhaltige Lebensmittel umgehen. Wichtig ist hier zum einen die Mundhygiene und, fast noch wichtiger, ausreichend lange Pausen zwischen den Mahlzeiten. Denn dann hat der Speichel ausreichend Zeit, Säuren zu neutralisieren und den Zahnschmelz zu remineralisieren. Bei diesem Mechanismus spielt also die Zuckermenge eine untergeordnete Rolle. Viel Zucker mit ausreichend langen Pausen ist immer noch günstiger als weniger Zucker, der aber unaufhörlich und ohne Pause verabreicht wird. Weniger Zucker, bei gleichzeitiger Beachtung der Pausen, verändert dann die Mundflora in Richtung einer natürlichen Flora mit schlechten Lebensbedingungen für die Verursacher der Karies. Eine weitere Möglichkeit für die Vorbeugung besteht in der Anwendung von Fluoriden. Da Fluoride aber giftige Eigenschaften haben, ist diese Form der Vorbeugung Gegenstand von kontroversen Diskussionen. Mehr Sinn machen regelmäßige Kontrollen beim Zahnarzt, Reinigung der Zähne, Entfernen von Plaques und Zahnbelägen sowie eine zuckerarme Ernährung.