Historische Entwicklung der Zahnmedizin

Schöne, gesunde und gut versorgte Zähne sind eine unabdingbare Voraussetzung für ein anziehendes und gepflegtes Erscheinungsbild. Im Laufe der Menschheitsentwicklung war dies jedoch nicht immer der Fall: Aufgrund nicht existenter oder mangelhafter Mundhygiene waren die Zähne in der Vergangenheit eher ein Laster als ein sehenswertes Schönheitsmerkmal. Bis in das 19. Jahrhundert gab es keine Zahnmediziner, welche für Zahngesundheit und Mundpflege sorgen konnten. Trotzdem fühlten sich damals viele befugt, Zahnschmerzen zu behandeln. Heiler, Apotheker, Gliedereinrenker, weise alte Frauen sowie auch Barbiere waren die Vorgänger der Zahnmediziner.

Schon vor 5000 Jahren war Zahnpflege ein wichtiges Thema. Damals wurden faserige Zweige (Miswak) und Holzstäbchen zur Reinigung der Zähne verwendet. Jedoch hatte die Anwendung von Holzstäbchen zur Zahnreinigung eher einen religiösen als einen gesundheitlichen Hintergrund. Die Kraft der Gebete sollte hierdurch erhöht werden. Vor allem im arabischen Raum, woher auch der Begriff Miswak als Bezeichnung für Zahnhölzer stammt, nahm Mohammed die Zahnreinigung als rituelle Handlung des Islam auf. Der Prophet trug auf diese Weise schon früh dazu bei, dass sich diese Form der Zahnpflege in der islamischen Welt verbreitete. Insgesamt waren in Antike und Mittelalter sowohl die Zahnpflege als auch die Zahnleiden häufig mit religiösen Ritualen und Aberglauben verbunden. Zahnkrankheiten wie zum Beispiel Karies, wurden dem so genannten Zahnwurm, einem in Schlamm geborenen Wurm, zugeschrieben. Nach damaliger Vorstellung fraß dieser Wurm die Zähne von innen her auf. Diese Vorstellung beruhte auf das fast jedem Patienten gut bekannte „bohrende“ Gefühl bei Zahnschmerzen. Sowohl im islamischen Raum, als auch in anderen Kulturen wurden die Zahnkrankheiten und ihre vermuteten Ursachen mit den unterschiedlichsten Mitteln bekämpft. Populär waren Mundspülungen mit Minze oder Natron. Manchmal kamen bei der Mundpflege auch außergewöhnliche Mittel zum Einsatz. So wurden die Zähne bei den Römern beispielsweise mit Asche aus verbrannten Mäuseköpfen behandelt.

In Zentraleuropa war die Zahnpflege dagegen bis zum Mittelalter kaum vorhanden. Im Mittelalter betrachteten die Leute die Zahnleiden, sowie auch die anderen Krankheiten, als Strafe Gottes. Erkrankungen wurden aus diesem Grund durch Gebete bekämpft. Im Spätmittelalter wurde hierfür sogar die Schutzheilige der Zahnleiden, die Heilige Apollonia, um Linderung angebetet. Die Chinesen erfanden als erste den Vorgänger der heutigen Zahnbürste. Die Erfindung erreichte Europa erst im 15. Jahrhundert und war zunächst nur dem Adel vorbehalten. Die ersten Zahnbürsten wurden aus gekochten und an einem Stiel geklebten Wildschwein- bzw. Pferdeborsten angefertigt und aufgrund des hohen Preises nur für die wohlhabenden Gesellschaftsschichten zugänglich. Für den Rest der Bevölkerung waren die damaligen Zahnpflegemittel nicht bezahlbar. Die Entwicklung der ersten Zahnbürsten als Massenprodukt dauerte fast 250 Jahre. Als William Addis im Jahr 1780 ein Unternehmen zur Herstellung von Zahnbürsten mit einem Griff aus Knochen und Borsten aus Kuhschwanzhaaren gründete, konnte sich die Zahnpflege verbreiten. Die massenhafte Benutzung der Zahnbürste als Mittel für Zahnpflege und Erhaltung der Mundgesundheit erfolgte erst in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts, als billigere Nylonborsten zur Herstellung von preisgünstigen Zahnbürsten eingesetzt wurden.

Die Anfänge der Zahnheilkunde

Obwohl die Medizin im Laufe der Jahrtausende ständiger, fortlaufender Weiterentwicklung und Modernisierung unterworfen war, sind die grundlegenden Prinzipien der medizinischen Behandlung nahezu unverändert geblieben. Heute wie damals ist die Zahnbehandlung häufig mit Schmerzen und unangenehmen Empfindungen verbunden, obwohl der Patient im Nachhinein für die Linderung seiner Leiden dankbar ist. Trotz des enormen Fortschritts im Bereich der Zahnmedizin ist die Behandlung der Zähne immer noch häufig mit Angst verbunden. Vor 3000 Jahren bereits war das Erforschen der Beschwerden durch Befragung und Beobachtung das wichtigste Rüstzeug eines Behandlers. Die wissenschaftlichen Vorstellungen und technischen Methoden der Zahnheilkunde haben sich in den letzten 100 Jahren jedoch maßgeblich geändert.Noch in den babylonischen Keilschriften aus dem Jahr 2000 v. Chr. wird der „Zahnwurm“ als Verursacher von quälenden Zahnschmerzen erwähnt. Damals wurde das bohrende Gefühl, mit dem ein erkrankter Zahn auf sich aufmerksam macht, auf sogenannte Zahnwürmer zurückgeführt. Diese Wurmtheorie als Erklärung der Karies konnte sich über ca 3500 Jahre als geltende Lehrmeinung halten. In derselben Epoche verfügte auch Ägypten über ein organisiertes Gesundheitswesen. Die praktizierte Mumifizierung ermöglicht uns heute einen Überblick über die Krankheiten der Bevölkerung im alten Ägypten. Die damaligen Erkrankungen wurden anhand zahlreicher Mumien untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass Parodontose und Karies auch die antiken Ägypter geplagt haben. Aufgrund der nur grob gemahlenen Nahrung wegen der verwendeten Steinmühlen zum Zermahlen von Getreide wurden die Zähne schnell abgekaut. Zum Teil wurde der Zahn bis zur Pulpa abgeschliffen. Infolge des exzessiven Abkauens entstanden wohl oft schmerzhafte Zahnentzündungen. Für die Ägypter, wie auch für uns, bedeutete Gesundheit gute Lebensqualität, eine Existenz in Genussfreudigkeit. Dies galt in Ägypten sowohl für das Leben als auch für den Tod. Auch wenn zu Lebzeiten Zähne extrahiert werden mussten, sollte der Verstorbene seine letzte Reise ins Totenreich möglichst ohne äußerliche Mängel antreten. Aus diesem Grund wurden Vorläufer der heutigen Prothesen den Toten eingegliedert. Leichenbalsamierer bereiteten die Körper der Verstorbenen für die Ewigkeit vor und brachten die mit Golddraht zusammengehaltenen Gebisse an. Demzufolge wurde der uns bekannte Zahnersatz von Leichenbestattern geschaffen. Die Kaste der Leichenbalsamierer war allerdings streng von den Ärzten getrennt. Die Zahnleiden der Ägypter wurden vor allem durch Medikamente behandelt. Nur in seltenen Fällen wurden Zahnextraktionen vorgenommen. Pflanzensamen, Harze, Malachit und Steinmehle wurden zur Füllung hohler Zähne verwendet. Zudem sollten Kaumittel, Spülungen, Füllungen und Zaubersprüche zur Linderung der Zahnschmerzen beitragen.

Als in Griechenland um das Jahr 900 v. Chr. die Medizin sich zunehmend von der Magie distanzierte und von der Erfahrung zu lernen begann, wurden die teilweise noch heute geltenden ethischen Grundlagen des ärztlichen Berufes von Hippokrates geschaffen. Der „Zahnwurm“, Aberglauben und Gebete als Heilmittel wurden zumindest in der griechischen Medizin in die Vergangenheit verbannt. Zum ersten Mal suchte die Medizin nach äußeren Umständen als Ursachen für die Entstehung und Entwicklung von Karies. Verbreitet wurde die Annahme, dass Schleim und Nahrung zum „Anfressen“ der Zähne beitragen. In Nachbarschaft zu Rom schufen die Etrusker im Jahr 500 v Chr. den ersten uns bekannten Zahnersatz in Europa. Dabei wurden Menschen- oder Tierzähne mit Goldbändern an vorhandenen Zähnen befestigt. Diese Zahnersatzform leistete nur einen optischen Beitrag, stellte die Kaufunktion des Betroffenen jedoch nicht wieder her. Die Römer übernahmen diese Art des Zahnersatzes und wendeten sie regelmäßig an. Bei der Zahnbehandlung kamen Werkzeuge wie Skalpelle, Zahnzangen und Drillbohrer zum Einsatz. Opium diente als Schmerzlinderungsmittel. Die Behandlungsmaßnahmen wurden durch Zutaten aus der Volksmedizin wie Regenwürmer, Rabenmist oder Froschhirn komplettiert. Selten wurden Zahnextraktionen vorgenommen. Die kariösen Zähne wurden stattdessen meistens ausgebrannt und lockere Zähne wurden mit der Hand gezogen. Bei den Griechen dagegen wurden die lockeren Zähne auch mit Golddraht geschient. Zu jener Zeit stellte die Zahnheilkunde keine eigenständige Fachrichtung dar. Aus diesem Grund wurde die Zahnbehandlung von jedem beliebigen Arzt übernommen. Mit dem Zerfall des Römischen Reiches gingen viele Erkenntnisse und Methoden aus dem Bereich der damaligen Medizin verloren. Da das europäische Leben in der Folge von Völkerwanderung und Mobilität geprägt wurde, geriet die Zahnbehandlung wieder in den Einfußbereich von Volksmedizin und Magie. Bei Zahnschmerzen wurden die Götter, bzw. die heilige Appolonia um Hilfe und Linderung angebetet. Die Zahnbehandlung wurde neben anderen chirurgischen Fächern der Medizin als unwürdig betrachtet und durfte von keinem akademisch gebildeten Arzt ausgeübt werden. Obwohl teilweise gute Chirurgengilden ausgebildet wurden, übernahmen die Barbiere den Hauptteil der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung.

Zahnmedizin nach dem Mittelalter

Erst im Jahr 1952 wurde in Deutschland die Trennung von handwerklich orientierten Dentisten und akademisch gebildeten Zahnärzten überwunden. Der rein handwerkliche Beruf des Dentisten wird heute nicht mehr ausgeübt. Während im Mittelalter der Zahnschmerz als gottgewollte Strafe angesehen wurde, wird in der Neuzeit das scholastische Denken durch praktische Experimente, Erfahrungen und Analysen abgelöst. Der Beruf des Zahnheilers gewann zunehmend an Bedeutung und Ansehen. Fortschritte prägten auch den chirurgischen Bereich. Chirurgie und Heilkunde wurden zunächst vorwiegend von reisenden Behandlern ausgeübt. Umherziehende Wundärzte waren auf den Augen- oder Hals-Nasen-Ohrenbereich spezialisiert und wurden von den bedürftigen Hilfesuchenden sehnsüchtig erwartet. Die Zahnbrecher dagegen praktizierten ihren Beruf auf Jahrmärkten und Marktplätzen neben den Okkultisten, den Stein- und Bruchschneidern. Ein bemerkenswertes medizinisches Werk stammt aus dem Jahr 1732. Krautermann veröffentlichte das Buch „Der sichere Augen- und Zahn-Arzt“. 220 Seiten des Werks waren den Augenerkrankungen und lediglich 50 Seiten den Zahnkrankheiten gewidmet, da die Zahnheilkunde als weniger wichtig betrachtet wurde. Erst im 19. Jahrhundert verschwanden die reisenden Zahnbehandler zunehmend und wurden von in Städten praktizierenden Ärzten abgelöst. Es setzte sich durch, dass Zahnoperationen besser im Hause des Arztes durchgeführt werden sollten, da dort alle Werkzeuge und Medikamente zur Verfügung standen. Die aufstrebendeWissenschaft legte die endgültige Grundlage für die Entstehung der Zahnheilkunde. Gut ausgebildete Zahnmediziner waren immer öfter anzutreffen. Zudem erstellten immer mehr Goldschmiede und Drechsler Prothesen für die Zahnbehandler. Typische Prothesenmaterialien stellten Elfenbein oder Nilpferdzähne dar. Mauleselzähne, Ochsen- und Seekuhzähne kamen ebenfalls zum Einsatz. Begehrt und kostspielig war der Nilpferdzahn, da er sich im Mund nicht so schnell verfärbte. Die besten Prothesen bestanden jedoch aus menschlichen Zähnen. Erst im 19. Jahrhundert konnte auch die „einfache“ Bevölkerung von den Fortschritten einer breiteren Zahnheilkunde profitieren. Neben den modifizierten Methoden bei der Erstellung von Zahnersatz wurden zunehmend effektivere Stoffe als Schmerzmittel bei der Zahnbehandlung angewandt. Im Jahr 1776 wurde das Lachgas erfunden. Äther- und Chloroformnarkosen waren die Nachfolger des Lachgases. Der Patient konnte schmerzfrei von seinem Zahnleiden befreit werden. Die zahnärztliche Behandlung unter örtlicher Betäubung erfolgte aber erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1884 wurde eine Kokainlösung zur Betäubung für die Behandlung mehrerer Unterkieferzähne in New York angewandt. Weitere Mittel, die weniger unerwünschten Nebenwirkungen verursachten, wurden entwickelt. Nach der bahnbrechenden Entdeckung der Röntgenstrahlen im November 1895 konnten noch im Jahr 1896 die ersten Zahnröntgenaufnahmen angefertigt werden. Anhand der Röntgenbilder konnte der Zahnmediziner nunmehr schon im Vorfeld erkennen, ob und wo eine Entzündung vorlag, häufig noch vor dem Auftreten von Zahnschmerzen. Der technische Fortschritt trug im Jahr 1871 zur Herstellung der ersten Tretbohrer und – ein Jahr später – zur Erfindung der ersten elektrischen Bohrmaschine für zahnärztliche Behandlungen bei. Medizinische und technische Fortschritte ermöglichten eine zunehmend ruhige und wirkungsvolle Behandlung der Zahnerkrankungen und legten die Grundlagen der modernen Zahnheilkunde.

Moderne zahnmedizinische Versorgung

Die moderne Zahnheilkunde stellt heutzutage eine eigenständige akademische Fachrichtung dar, die an Universitäten gelehrt wird. Die Zahnmedizin zeichnet sich durch eine enorme wissenschaftliche Entwicklung aus und gehört zum Gesundheitswesen eines jeden entwickelten Industrielands. Die wissenschaftlichen Bemühungen im Bereich der Zahnmedizin konzentrieren sich auf die ständige Weiterentwicklung der modernen Möglichkeiten in der zahnärztlichen Diagnostik und Therapie. Zu den fortschrittlichen Methoden der modernen Zahnheilkunde gehören unter anderem die digitale Radiovisiographie mit einer bis zu 90% verringerten Röntgenstrahlung. Intraorale Kameras zur Darstellung krankhafter Veränderungen in der Mundhöhle, Operationsmikroskope im Rahmen der Wurzelbehandlung, laserunterstütze Chirurgie oder implantatgetragener Zahnersatz zeigen die enorme Erweiterung des zahnmedizinischen Spektrums.
Beim Zahnersatz hat sich ebenfalls viel verändert. Die Ersatzmaterialien bieten zunehmende Gewebefreundlichkeit, erhöhten Tragekomfort und bessere Verträglichkeit. Die Forschung in diesem Bereich sucht weiterhin nach Stoffen mit hoher biologischer, ästhetischer, funktioneller und wirtschaftlicher Akzeptanz. Zu den Meilensteinen der neueren Geschichte der Zahnheilkunde gehören hochwertige Kunststoffe und Keramiken für die Füllungstherapie, Biomembranen und Knochenersatzstoffe, gut verträgliche, biokompatible Metalllegierungen für den Zahnersatz und die Implantologie. Innovationen prägen auch die Sphäre der Kieferorthopädie. Zahnmedizinische Methoden ermöglichen die Korrektur von genetischen Defekten wie die Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, die Durchführung von erfolgreichen Rekonstruktionen nach Tumorerkrankungen und nach Unfällen. Hauptziel der heutigen Zahnheilkunde bleibt die primäre Gesunderhaltung der vorhandenen körpereigenen Strukturen. Professionelle Vorsorgemaßnahmen tragen maßgeblich zur Verbesserung der Zahngesundheit und zur Vorbeugung von Zahnerkrankungen bei.

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